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- Michael Franz

Swiss Open 2024 - ein offenes Rennen

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Der 34. Besson Swiss Open Contest vom 21. September 2024 verspricht aufgrund der Absenz der Titelverteidiger grosse Spannung. Im Bericht finden Sie alles Wissenswerte zum Wettbewerb.

Luzern bleibt weiterhin die Brass Band Wettbewerbshauptstadt der Schweiz. Am 21. September treffen die Schweizer Brass Bands der Höchstklasse beim 34. Besson Swiss Open Contest ein weiteres Mal im KKL Luzern aufeinander. Der Wettbewerb bestehend aus vielseitiger und anspruchsvoller Konzertmusik erfreut sich beim Publikum und den Teilnehmenden weiterhin grösster Beliebtheit.

Komik im Teststück

Als Teststück wird den teilnehmenden Bands in diesem Jahr «Masquerade» von Philip Wilby vorgesetzt. Die Uraufführung dieses Stücks wurde am 4. September 1993 in der Free Trade Hall in Manchester beim British Open Brass Band Championships abgehalten. Apropos British Open: Die Brass Band Treize Étoiles wird dieses und nächstes Jahr nicht am Swiss Open antreten, da sie als aktuell beste kontinentaleuropäische Band an den British Open eingeladen werden, welcher kurz vor dem Swiss Open stattfindet. Sie werden ihren letztjährigen Titel also nicht verteidigen und damit bei den antretenden Bands die Titelhoffnungen schüren.

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Bild: Philip Wilby

Teilnehmende Bands 2024 Direktion
Brass Band Berner Oberland Véronique Gyger-Pitteloud
Brass Band Fribourg Maurice Donnet-Monay
Brass Band Luzern Land Sandro Blank
Brassband Bürgermusik Luzern Michael Bach
Ensemble de Cuivres Jurassien Russell Gray
Ensemble de Cuivres Valaisan Jean-François Bobilier
Liberty Brass Band Ostschweiz Stefan Roth
Oberaargauer Brass Band Hervé Grélat
Valaisia Brass Band Arsène Duc
Wallberg Band Ivan Meylemans

Doch zurück zum Teststück: Der Komponist selbst beschrieb «Masquerade» bei der Veröffentlichung als eine Hommage zum hundertjährigen Jahrestag von Giuseppe Verdis letzter Oper «Falstaff», welche 1893 uraufgeführt wurde. Das Libretto von Arrigo Boito beruht wiederum auf der Grundlage der Shakespeare-Komödie «Die lustigen Weiber von Windsor». Die Handlung der Oper dreht sich um den alternden, dicklichen Ritter Sir John Falstaff, der versucht, seine finanziellen Schwierigkeiten zu lösen, indem er zwei wohlhabende Frauen gleichzeitig umwirbt. Diese Frauen entdecken jedoch seine Pläne und beschliessen, ihm eine Lektion zu erteilen. Mit Hilfe ihrer Freundinnen und der Unterstützung eines eifersüchtigen Ehemanns spielen sie Falstaff eine Reihe von Streichen. Am Ende der Oper wird Falstaff von den Frauen und der gesamten Gemeinde verspottet, erkennt aber die Lächerlichkeit seines Verhaltens und schliesst sich dem allgemeinen Gelächter an. Die Oper endet mit einem fröhlichen Finale, in dem alle Charaktere die Moral betonen, dass das Leben eine Komödie ist.

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Bild: Arrigo Boito & Giuseppe Verdi (rechts)

Philip Wilby nimmt die Schlussszene der Oper als Grundlage für sein eigenes Stück. So hat er einen Teil der Musik von Verdi und einen Teil der Handlung von Shakespeare verwendet und sie in ein Gewebe mit höchst anspruchsvoller Musik verwoben. Er erweiterte damit die alte Tradition der auf Opern basierenden Brass Band Werke. Solche Werke entstanden in den Anfängen der Brass Band Bewegung und sind oft keine direkten Bearbeitungen im herkömmlichen Sinne, sondern Neukompositionen, die als Hommage an einen vergangenen Meister entstanden sind. Sie bieten den Musizierenden und Zuhörenden gleichermassen etwas Vertrautes, das mit etwas Neuem verwoben ist.

In Wilbys Stück werden einige Elemente der ursprünglichen Geschichte wiederverwendet: Falstaff wurde von den Damen, die ihm eine Lektion erteilen wollen, in einem Netz aus seinen eigenen Lügen gefangen. Bei Nacht im grossen Park von Windsor, wohin Falstaff mit falschen Versprechungen gelockt wurde, beginnt das Brass Band-Werk. Die Verschwörer, die auf verschiedene Weise (z.B. als Feen, Elfen und Kobolde) verkleidet sind, versammeln sich im Park, um Falstaffs Ankunft zu erwarten. Das Mysteriöse dieser Maskerade und Falstaffs Angst ist durch die unterschiedlichen Einsätze der verschiedenen Register sehr gut hörbar umgesetzt. Falstaffs drei Begleiter Bardolph, Piston und Robin werden in Wilbys Werk von den Posaunen dargestellt. Sie treten nach der oben beschriebenen Anfangsszenerie auf und werden von den Maskentragenden auf verschiedene Weise beschimpft. Auf dem Höhepunkt des Geschehens ertönt ein Alarm und Falstaff tritt in der Szenerie auf, als es Mitternacht schlägt. In der Oper wird Falstaff von einem Bariton gesungen und dementsprechend übernimmt im Brass Band Werk das Solo Euphonium diesen Part. Die lange Euphonium-Kadenz beschreibt ebendiesen Auftritt bei Mitternacht. Von einem sicheren Versteck aus beobachtet Falstaff anschliessend, wie die verkleidete Nanetta (gespielt vom Principal Cornet) ein ruhiges Solo vorträgt, während der Mond über den Bäumen aufgeht. Mit plötzlicher Gewalt packen ihn jedoch die anderen und zerren ihn aus seinem Versteck. Wie bei dem traditionellen Spiel Blindekuh wird er siebenmal grob umgedreht, bis er schliesslich seine Angreifer als seine einstigen Freunde erkennt. Dieser Abschnitt leitet den letzten Teil des Stücks ein und die sieben Umdrehungen werden durch Accelerandi akustisch dargestellt. In einem munteren Finale galoppiert das Werk dann dem Ende entgegen, denn auch Verdis Falstaff beendet die Oper mit einer gutgelaunten Fuge über die Worte «Die ganze Welt ist ein Witz. Jeder Sterbliche lacht über die anderen, aber am besten lacht der, der am Ende lacht.» Wir sind gespannt, welche Band das anspruchsvolle Werk am besten meistert und am Ende des Wettbewerbstages am besten lachen kann.

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Bild: Ein früher Kostümentwurf des Falstaff

Klassiker in der Selbstwahl

Doch der Wettbewerb lässt sich natürlich nicht nur mit dem Teststück gewinnen, sondern es braucht eine zweite hervorragende Performance im Selbstwahlstück am Nachmittag. Die teilnehmenden Bands konnten wiederum aus einer vorgegebenen Liste an Wettbewerbsklassikern ihre Favoriten wählen, wobei schlussendlich die Organisierenden das definitive Werk zuteilten. Das Publikum darf sich auf wunderbare und gern gehörte Stücke freuen. Von Peter Graham und Philip Sparke werden gleich je drei verschiedene Werke zu hören sein. Dies beweist einmal mehr eindrücklich, wie beliebt die beiden Komponisten sind, aber auch wie viele fantastische Werke sie bereits produzierten. Die restlichen vier Selbstwahlstücke stammen von Derek Bourgeois, Johan de Meij, Edward Gregson und George Lloyd – also nicht minder renommierten Komponisten.

Die Komponisten der Selbstwahlstücke:

 

Selbstwahlstück Komponist
«Blitz» Derek Bourgeois
«Extreme Make-over» Johan De Meij
«Montage» Peter Graham
«The Essence Of Time» Peter Graham
«The Torchbearer» Peter Graham
«Dances And Arias» Edward Gregson
«English Heritage» George Lloyd
«Harmony Music» Philip Sparke
«Partita» Philip Sparke
«The Year Of The Dragon» Philip Sparke

Die Krux der Bewertung

Seit der Lancierung des Besson Swiss Open Contest wird die Siegerband durch die Resultate einer verdeckten, fünfköpfigen Jury ermittelt. Die Jurymitglieder geben unabhängig voneinander ihre Punktzahl (maximal 60) bekannt. Nachdem die höchste und die tiefste Punktzahl gestrichen wurden, werden die restlichen drei Punktzahlen summiert. Dies verhindert sogenannte Ausrutscher und so kommt beim Erstellen der Rangliste dem Gesamteindruck der Performance der Vorrang zu. Das Ziel der Organisierenden ist, dass der Gesamteindruck, welcher die Zuhörenden berührt, damit stark gewichtet wird und die Juryentscheidung nachvollzogen werden kann. Die Jury besteht im Jahr 2024 aus Robert Childs, Howard Lorriman (beide UK), Pascal Eicher, Blaise Heritier und Carlo Balmelli (alle CH). Die renommierten Brass Experten haben die schöne aber auch anspruchsvolle Aufgabe, die Bands einzureihen.

Die Juroren:

Ohne die Teilnahme der Brass Band Treize Étoiles scheint das Rennen so offen wie schon lange nicht mehr. Das letzte Mal, dass die Walliser an einem Wettbewerb angetreten sind und nicht gewonnen haben, war am Swiss Open 2022. Damals hatte die Brass Band Berner Oberland knapp die Nase vorn und verwies die Brass Band Treize Étoiles auf den zweiten Platz. Allgemein wurden die letzten fünf Austragungen des Swiss Open von diesen beiden Vereinen geprägt – die BBO gewann zwei Mal, die Brass Band Treize Étoiles drei Mal. Können die Berner Oberländer wiederum um den Titel mitspielen? Oder holen sich die Lokalmatadoren der Brassband Bürgermusik Luzern den Hauptpreis, welchen sie bereits sieben Mal in ihrem Palmares haben? Dass sie stark in Form sind, haben sie mit dem zweiten Platz am letzten Schweizerischen Brass Band Wettbewerb und der Performance am Europäischen Brass Band Wettbewerb im Mai bewiesen. Oder wandert der Pokal wiederum ins Wallis? Mit der Valaisia Brass Band und dem Ensemble de Cuivres Valaisan hat der Kanton natürlich noch andere heisse Eisen im Feuer, welche am Swiss Open ebenfalls schon siegten. Die Ausgangslage verspricht also höchste Spannung! Zusätzlich zum Siegerpokal wird der mit CHF 1’000.– dotierte Spezialpreis für das bestgespielte Selbstwahlstück und der mit CHF 500.– dotierte Spezialpreis für das im Teststück beste Solo-Euphonium vergeben.

25. World Band Festival

Der Swiss Open ist erneut der erste Anlass des World Band Festivals. Dieses feiert im Jahr 2024 die 25. Ausgabe und wird im Jubiläumsprogramm mit einer grossen Vielfalt an Genres und Nationen begeistern. Am Samstag, 21. September, findet am Nachmittag draussen das Openair-Konzert «WBFL on Air» statt, welches wiederum live auf der SRF Musikwelle übertragen wird. Es treten die Black Dyke Band, das JBL-Jugendblasorchester Luzern (Dir. Patrick Ottiger), die Brass Band Treize Étoiles B-Band (Dir. Lionel Fumeaux), die kleine Egerländer Besetzung und Southbrass aus Italien auf. Für die Brass-Gala am Abend konnte der amtierende National Champion of Great Britain, die Black Dyke Band mit Chefdirigent Nicholas Childs gewonnen werden. Nach wie vor zählt sie zum Besten, was die Brass Band Welt zu bieten hat. Neben ihrem eigenen Programm wird sie den Euphonium-Virtuosen David Childs in Peter Grahams «Force Of Nature» sowie in Simone Mantias «Endearing Young Charms» begleiten.

Parallel zur Brass-Gala wird im Luzerner Saal nebenan unter dem Motto «Servus Blasmusik – Prosit» das schallende Blech und andere Musik gefeiert. Zum Jubiläumseintrittspreis von 25 Franken kann im Stil «Woodstock der Blasmusik» gelauscht, gefeiert, gesungen, getanzt und durstgelöscht werden. Es treten Southbrass, Die Kleine Egerländer Besetzung und die bayrische Band Monobo Son auf. Jede Band hat ihren eigenen unverwechselbaren Sound und Genregrenzen werden liebevoll überschritten. Am Festivalmittwoch zelebriert das Kultensemble Mnozil Bras sein 30-jähriges Bestehen und präsentiert den ultimativen Blechgeburtstag mit seiner Jubiläumsshow in urtümlicher Gasthaus-Manier. Tags darauf starten im Luzerner Konzerthaus Schüür LaBrassBanda mit der Eröffnung ihrer Brass Fire Tour 2024 wieder richtig durch. Ganz andere Töne schlägt der junge österreichische Trumpet-Rising-Star Selina Ott am zweiten Festivalsamstag zusammen mit der Organistin Suzanne Z’Graggen in der Jesuitenkirche Luzern an. Im Gedenken an die Trompeterlegende Maurice André, welche 1999 im 1. World Band Festival auftrat, widmen sich die beiden Musikerinnen barocken Originalbearbeitungen von Maurice André für Trompete und Orgel.

Das World Band Festival bietet auch in diesem Jahr wieder Brass Musik vom Feinsten und geizt nicht mit internationalen Stars der Szene. Der 34. Besson Swiss Open Contest zum Auftakt verspricht grösste Unterhaltung und Spannung. Wir können uns auf einen feurigen Herbst in Luzern freuen! BRASS BAND News wird am Swiss Open vor Ort sein und Sie mit den Resultaten versorgen.